Der Alltag
05.02.2015 16:45...ist wieder eingekehrt, nur diesmal sehr
verändert, ich kann aber sagen: deutlich zum besseren!
Nachdem in meiner Tent school gar keine Kinder
mehr waren, sind es heute 23 allen Alters. Zwei Wochen lang habe ich erst in
der Tent school meiner Mitfreiwilligen Isabella Escobedo mitgearbeitet und als
dann die ersten Familien zurückgekommen sind ging es mit meiner Kollegin
Shalini wieder zurück nach Yedthadi. Jeden Tag schallt uns "Teacher, teacher,
teachaaaaa" nun schon entgegen bevor wir überhaupt richtig angekommen sind.
Wenn wir die restlichen Kinder dann von ihren Zelten abholen, wollen alle auf
den Arm genommen werden und springen an mir hoch wie an einem Kletterbaum! Hand
in Hand rennen wir dann zum Schullzelt und es antworten uns nicht mehr nur drei
Stimmen beim Pratana (Gebet), sondern ein ganzer Chor! Wenn das Unterrichten
vorbei ist spielen wir noch mit Fußbällen, Ringen und dem Federballset, das
spanische Besucher vor ein paar Wochen gespendet haben. Nach dem abschließenden
Gebet schnappen sich die Kinder dann unsere Taschen und tragen sie ganz stolz
vor uns her zur Bushaltestelle, warten bis unser Bus kommt und das letzte was
wir hören ist ihr "Bye Teacher", das so laut ist, dass sich alle im Bus nach
uns umdrehen.
Das alles war eine ganz schöne Umstellung muss
ich sagen. Nach zwei Monaten Einzelunterricht mit einem nur mäßig motivierten
Kind habe ich jetzt fünf Kinder gleichzeitig! ( Keine Sorge die restlichen 17
sind nicht alle bei Shalini sondern teilen sich auf Shalini und zwei neue Tent
school Freiwillige, die seit zwei Wochen da sind, auf). Meine Kiddys alle mit
Aufgaben zu versorgen ist nicht immer ganz einfach, vor allem wenn einem
währenddessen ein zwei jähriges Kind noch aufm Schoß sitzt! Die eigene
Aufmerksamkeit drei zu teilen war am Anfang äußerst anstrengend. Deshalb habe
ich angefangen ihnen Aufgaben in die Hefte vorher zu schreiben, damit ich
während der Stunden nicht auch das noch machen muss. Weil irgendwer will immer
meine Aufmerksamkeit, meistens eher drei Kinder gleichzeitig, und wenn es ist
nur ist " wo ist das Radiergummi" (im Übrigen ein hart umkämpfter Gegenstand
bei uns!).
Vier von den 5 Kindern die ich unterrichte
haben außerdem annährend das gleiche Niveau, sodass ich mit ihnen die gleichen
Aufgaben machen kann und sogar ein bisschen richtigen "Unterricht". Mit den vieren
bin ich also gerade dabei das kleine 1x1 auswendig zu lernen, wir üben lesen
und schriftliches Subtrahieren. Außerdem habe ich angefangen englisch Vokabeln
mit ihnen zu lernen- bisher mit noch keinem überragenden Erfolg aber ich bin
zuversichtlich, dass es jetzt schnell vorwärts geht! Das Lesen ist immer noch
so eine Sache und es geht auch nicht so schnell voran wie ich das gerne hätte!
Zum einen liegt es daran, dass ich den Kindern auf englisch lesen beibringe und
zwar aus folgendem Grund: Ihre eigene Muttersprache Telugu wird nicht in
englischer Schrift geschrieben, es gibt also keine Gelegenheit bei denen den
Kindern es nützlich wäre und es gibt auch keine wirklichen Rechtschreibregeln.
Das hört sich erstmal nicht schlimm an, aber ich demonstriere mal an einem
Beispiel warum sich das doch als Barriere erweisen kann. Madikeri heißt der Ort
an dem ich um Weihachten wandern war, wird genauso gelesen wie ich es jetzt
geschrieben habe- zumindest mit deutschen Augen und in deutschen Reiseführern
steht er auch so drin. Stehen wir also an der Bushaltestelle und wollen unseren
exakten Abfahrtsort finden, lesen wir nirgendwo "Madikeri". Wir laufen und
laufen und laufen bis mir auf einmal das Schild mit der Aufschrift "Muddikary"
auffällt. Mit englischen Augen gelesen gibt es das gleiche wie das vorherige.
Das heißt selbst wenn irgendwo Telugu mal in englischer Schrift geschrieben
sein sollte, heißt es nicht, dass die Begriffe genauso aussehen wie ich sie
nach Gehör den Kindern beigebracht habe. Dazu kommt noch, dass sie die
englische Sprache, die dann ja auch mit lateinischen Buchstaben geschrieben
wird, nicht werden entziffern können, weil diesselbige ja einige Besonderheiten
wie etwa das "the" hat. Da ich weiß, dass es für die Kinder als Leseanfänger
schwierig ist englische Worte zu lesen, weil sie sie sich halt auch nicht
erschließen können wenn sie zumindest Teile lesen könnten, arbeite ich mit einer
Art Baukastensystem. Ich bringe den Kindern einfache, englische Vokabeln bei
und wie man sie schreibt (z.B. like). Daraus bilde ich dann kleine Sätze wie
"Raji likes dosa" die ich dann mit ihnen lesen übe. Ich wiederhole die Vokabeln
in unterschiedlichen Sätzen und Tag für Tag kommen dann neue Vokabeln und Worte
zum lesen dazu aber in Kombination mit den alten, damit sie die nicht vergessen werden.
Diese Arbeit macht mir total viel Spaß und ich
hoffe, dass es erfolgreich weiter geht! Die Kinder habe ich auf jeden Fall
schon so lieb gewonnen, dass ich mir kaum vorstellen kann sie alle in 5 Monaten
nicht mehr zu sehen!